Storys aus Studium und Lehre
Es gibt sie noch, die Vorlesungen, in denen die Welt erklärt wird, und die Referate und Diskussionen in den Seminaren. Doch längst werden diese klassischen Lehr- und Lernformen mit innovativen Formaten ergänzt. Viele davon wurden an der UZH selbst entwickelt. Entdecken Sie, wie originell und vielfältig sie sind.
Die Zukunft der Lehre an der UZH ist …
Neugierde, Entdeckerlust und Wissensdurst zeichnen Forschende aus. Doch wie lassen sich diese Emotionen auch bei Studierenden wecken? In forschungsbasierten Lehr-Lern-Settings (Research Based Teaching and Learning) nehmen Studierende die Rolle von Forschenden ein und tauchen anhand von eigenen Forschungsfragen in den Lehrstoff ein. «Das fördert die Eigenmotivation und zeigt ihnen zugleich, wie Forschung funktioniert», erzählt der Bioinformatiker Jonas Grossmann.
Gemeinsam mit seiner ehemaligen Arbeitskollegin, der Molekularbiologin Lucy Poveda, hat er den Blockkurs «Research Cycle in Genomics» entwickelt, in dem sie dieses Setting testen. Ausgehend von einem experimentellen Datenset sollen die Studierenden herausfinden, wie sich Staphylokokken an erschwerte Umweltbedingungen anpassen. Dabei lernen die Studierenden nicht nur Fachinhalte, sondern erwerben auch überfachliche Fähigkeiten wie das Querlesen von Papers oder die Präsentation von Resultaten.
Die selbständige forschende Arbeit ist herausfordernd und nicht selten landen die Studierenden in einer Sackgasse. Doch dies ist Teil des Lehrkonzepts: «Wir glauben, dass die Studierenden mehr lernen, wenn sie ihren Weg selbst suchen müssen und dabei auch Fehler machen», erklärt Grossmann. Zusammen mit seiner Kollegin Natalia Zajac begleitet er die Studierenden als Coach auf ihrem Weg. Dabei entsteht die motivierende Stimmung einer Forschungsgruppe, die sich in unterschiedlichen Vorgehensweisen an eine Frage herantastet und sich gegenseitig unterstützt.
Die Zukunft der Lehre an der UZH ist …
Mit der individuellen Wahl von Modulen und Minor-Studienprogrammen lässt sich die Ausbildung an der UZH nach den eigenen Zukunftszielen ausrichten. Lernziele, die für jedes Modul im Vorlesungsverzeichnis zu finden sind, helfen den Studierenden dabei, zu entscheiden, in welcher Veranstaltung sie sich die notwendigen Kompetenzen aneignen können.
«Der heutige Arbeitsmarkt verlangt nicht nur fachspezifische sondern auch fachübergreifende Kompetenzen wie Machine Learning», sagt Physikprofessor Titus Neupert. Gemeinsam mit der Digital Society Initiative bietet er deshalb das Modul «Machine Learning: eine interdisziplinäre Einführung» an, das über die School for Transdisciplinary Studies angeboten wird und von UZH-Studierenden aller Fakultäten besucht werden kann.
Welche Algorithmen eignen sich für welche Datentypen? Wann sind klassische statistische Analysen sinnvoller? Wie wird Machine Learning in Naturwissenschaften, Linguistik, Recht oder Theologie angewendet? In der Ringvorlesung erzählen Dozierende diverser Fachgebiete über die Anwendung von Machine Learning in ihrer Forschung. Begleitende Übungsstunden mit individuellem Feedback ermöglichen es den Studierenden, an den eigenen Programmierkenntnissen zu feilen und über die Auswirkungen von Machine Learning für Individuum und Gesellschaft zu reflektieren. Dabei werden sie von Lehrassistenten auf dem Weg zur Erreichung der Lernziele unterstützt.
Das Pilotprojekt «Machine Learning – an Interdisciplinary Introduction» lieferte überdies hilfreiche Inputs für die Curriculum-Entwicklung eines neuen Minors mit dem Titel «DSI Minor Digital Skills». Er verschafft interessierten Masterstudierenden einen Überblick über die digitale Transformation von Gesellschaft und Forschung und involviert sie in interdisziplinäre Projekte.
Die Zukunft der Lehre an der UZH ist …
Bereits um etwa 500 v. Chr. beschrieb der chinesische Lehrmeister Konfuzius die Bedeutung von aktivierendem Unterricht: «Sage es mir, und ich vergesse es. Zeige es mir, und ich erinnere mich. Lass es mich tun, und ich behalte es.» Aktiv handelnd setzen sich Studierende vertieft mit einem Problem auseinander und erarbeiten eigenständige Lösungen. Zugleich lernen sie dabei neue Methoden kennen und erwerben überfachliche Kompetenzen.
Im Seminar «The Silicon Valley for People» befassen sich Studierende aus unterschiedlichen Disziplinen damit, welche Innovationen den HR-Bereich dereinst revolutionieren könnten: Wie sieht die Arbeitswelt von morgen aus? Welche Angebote und Hilfsmittel würden Führungskräften dabei unterstützen, auf die Bedürfnisse von Arbeitnehmenden einzugehen?
Im «UZH Innovathon» wiederum geht es um interdisziplinäre Herausforderungen im Zusammenhang mit neuartigen Anwendungen digitaler Technologien.
In beiden Innovations-Kursen lösen die Studierenden auf kreative Weise praktische Probleme und entwickeln neue Produkte. Dabei kommt die Design Thinking-Methode zum Einsatz, die oft in Tech-Startups genutzt wird. Die Studierenden verwandeln ihre Ideen zügig in erste Prototypen, die sie Fachpersonen aus der Privatwirtschaft präsentieren. Deren Rückmeldungen fliessen wiederum in die Verbesserung der Produkte mit ein. Mentorinnen und Mentoren begleiten die Teams bei diesem iterativen Prozess. «Dass man in gemischten Teams Ideen entwickeln und diese präsentieren muss, kommt in der heutigen Arbeitswelt oft vor», sagt die Dozierende Lauren Howe.
Unterrichtsinhalte mit direktem Lebensweltbezug sind nicht nur motivierend, sondern erleichtern es den Studierenden auch, neue Erkenntnisse an ihr bisheriges Wissen anzuknüpfen. Im praxisorientierten Seminar können sich die Studierenden Kompetenzen für ihr zukünftiges Berufsleben aneignen wie beispielsweise eine Idee überzeugend zu präsentieren oder konstruktive Kritik einzuholen und umzusetzen.
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Michael Reinehr ist ein Reiseführer für menschliche Zellstrukturen. In seinem Histopathologie-Unterricht erkundet er gemeinsam mit Studierenden krankhaft veränderte Gewebeproben. Mit dem Programm «MyMi.mobile 2.0» werden die Studierenden von zu Hause aus bald live mitmikroskopieren können und sich angeleitet von Reinehr und seinen Kolleginnen und Kollegen durch die Zellstrukturen bewegen. Die Online-Präparatesammlung auf MyMi.mobile 2.0 steht den Studierenden jederzeit zur Verfügung, um selbständig weiterzulernen.
Dank digitalen Hilfsmitteln können Studierende Lerninhalte in ihrem eigenen Tempo erarbeiten oder repetieren. In der Histopathologie ist dies besonders hilfreich: «Gewebeproben sind eine abstrakte Materie, das virtuelle Mikroskop hilft den Studierenden, sich individuell damit vertraut zu machen», erklärt der Pathologe und Klinische Dozent. Über das virtuelle Mikroskop haben sie auch Zugriff auf Scans von anatomischen Präparaten und können so gesundes und krankes Gewebe miteinander vergleichen und neue Wissensinhalte an ihr Vorwissen anknüpfen.
MyMi.mobile 2.0 kann den Studierenden zudem Aufgaben stellen und ihren Lernerfolg auswerten. Das Institut für Molekulare und Zelluläre Anatomie der Universität Ulm arbeitet derzeit mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz an einem Algorithmus für das Programm, der Studierende bei der Suche von Strukturen trackt und ihnen Feedback gibt. «Die Studierenden können diese Funktion freiwillig nutzen. Die Daten liefern mir jedoch wertvolle Hinweise, um meinen Unterricht zu verbessern», erklärt Reinehr. Zurzeit bearbeitet er die Scans der Präparate, um sie über die Plattform mit den Studierenden zu teilen. Ihm schwebt jedoch schon eine ganze Lernwelt vor, in der Studierende mithilfe von Podcasts, Verlinkungen und virtuellen Tutoren fächerübergreifend lernen können.
Die Zukunft der Lehre an der UZH ist …
Wenn Forschende unterschiedlicher Disziplinen gemeinsam mit gesellschaftlichen Akteuren Fragestellungen aus der lebensweltlichen Realität bearbeiten, spricht man von Transdisziplinarität. Oftmals handelt es sich dabei um komplexe oder globale Probleme, die nur mit dem gebündelten Wissen von Theorie und Praxis angepackt werden können. «Man spricht hierbei von Co-Produktion des Wissens», erklärt Jeannette Behringer vom Nachhaltigkeitsteam der UZH. Gemeinsam mit der Geschäftsführerin des Right Livelihood Zentrums, Aline Steinbrecher, organisiert sie die Ringvorlesung «Nachhaltigkeit jetzt!», in der Studierende Transdisziplinarität schnuppern können. Die Vorlesungsreihe wird über die School for Transdisciplinary Studies an Bachelor- und Masterstudierende aller Fakultäten vermittelt und besteht aus Podiumsdiskussionen mit Trägerinnen und Träger des Right Livelihood Awards. Der Preis zeichnet Personen aus, die erfolgreich zur Lösung globaler Probleme beitragen.
Das Besondere an den Podien: Die Studierenden moderieren die Diskussionen selbst. Dazu müssen sie sich nicht nur in das jeweilige Fachgebiet der Person einarbeiten, sondern auch in deren Biografie. «Die Studierenden erfahren dabei, dass Nachhaltigkeit eine komplexe Sammlung von Themen ist, auf die in unterschiedlichen Disziplinen Bezug genommen werden kann», sagt Behringer.
Als Vorbereitung auf den grossen Auftritt erhalten die Studierenden eine Moderationsschulung, in der sie üben, sich in unterschiedliche Perspektiven einzudenken und komplexe Inhalte für die Zuhörenden zu übersetzen. «Sie lernen von Personen aus der Praxis, wie man als Individuum Veränderungsprozesse anstossen kann und erwerben zugleich Moderationskompetenzen», erzählt Steinbrecher. Solche Fähigkeiten sind auf dem heutigen Arbeitsmarkt gefragt und bilden die Basis für transdisziplinäre Kooperationen. Für Behringer ist es wichtig, dass die Studierenden verstehen, dass sie als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren zusammenarbeiten müssen, um in der Umsetzung erfolgreich zu sein.
Die Erfahrung mit den Preisträgern sprechen zu können war für die Erdsystemwissenschaftsstudentin Leonie Laux sehr wertvoll: Dank der Ringvorlesung hat sie verstanden, dass die stimmigen Konzepte, die sie im Studium lernt, in der Realität komplex und schwierig umzusetzen sind.
Die Zukunft der Lehre an der UZH ist …
«Berge kommen nicht zusammen, aber Menschen», besagt ein jüdisches Sprichwort. Am Geographischen Institut der Universität Zürich kommen Menschen dank der Berge zusammen. Das Forschungsseminar «Sustainable Mountain Development» ist eine Kollaboration der UZH mit der Tbilisi State University (TSU) in Georgien und wird zeitgleich an beiden Universitäten unterrichtet.
«Die Bergregionen der zwei Länder haben erstaunlich viel gemeinsam. Wir können voneinander lernen», sagt die Forscherin und Kursleiterin Annina Michel. Dozierende der UZH und der TSU sprechen in den Vorlesungen über ihre Fachgebiete im Bereich von Naturschutz, Klimawandel, Regionalentwicklung und Abwanderung und setzen im Dialog die Herausforderungen der unterschiedlichen Bergregionen in Bezug.
Über die spezifisch für den Kurs entwickelte MTA – MountainApp teilen die Studierenden ihre Beobachtungen aus den Alpen und dem Kaukasus und können miteinander kommunizieren. «Die Studierenden lernten nicht nur ein anderes Land, sondern auch neue Leute, Arbeitsweisen und eine andere Universität kennen», sagt Michel. Die Kollaboration hat nicht nur den Horizont der Studierenden erweitert, sondern auch die Forschung unterstützt. «Die Aussenperspektive auf die eigene Arbeit war extrem bereichernd», erzählt Michel. Kommendes Jahr wird sie nach Georgien reisen, um sich für ein georgisches Forschungsprojekt zu engagieren.
Mit dem «UZH-Curriculum» hat das Prorektorat Lehre und Studium 2022 universitätsweite Qualitätsstandards für attraktive Studienangebote etabliert. Demgemäss ist gute Lehre forschungsbasiert, lernzielorientiert, aktivierend, individualisiert, transdisziplinär und international. Die hier vorgestellten Lehrformate sind Beispiele dafür, wie diese Qualitätsstandards umgesetzt werden können. Das «UZH-Curriculum» bietet den Fakultäten einen Orientierungsrahmen zur Evalutation und Weiterentwicklung von Studienprogrammen, Modulen und den dazugehörigen Lehrveranstaltungen.